Dr. Werner Born, Partner bei Rittershaus Anwälte, unterstützt als Mediator und Supervisor Unternehmerfamilien bei der Lösung von Konflikten.
KCN: Herr Born, viel ist über die Spaltung der Gesellschaft zu lesen. Stehen sich auch innerhalb von Unternehmerfamilien die Fraktionen zunehmend unversöhnlich gegenüber?
Born: Diese Entwicklung beobachte ich durchaus. Es passiert immer seltener, dass sich Menschen in die Position des anderen hineinversetzen und auch den eigenen Anteil am Konflikt reflektieren.
KCN: Wächst damit die Nachfrage nach Mediatoren wie Ihnen?
Born: Insgesamt ja. Im eskalierten Konflikt wird die Mediation zunehmend nachgefragt. Wir finden aber sehr oft die Situation vor, dass der Konflikt unterschwellig vorhanden ist und die Familienmitglieder in einer Art Konsensfiktion leben. In diesen Fällen ist nach wie vor die Nachfrage nach einer Familiencharta hoch. Die Erarbeitung einer Familiencharta eröffnet für die Familie die Chance, die Unterschiede zu erkennen, diese zu benennen und zu vereinbaren, wie damit in Zukunft umgegangen werden soll, bevor ein Konflikt eskaliert. In einer Unternehmerfamilie müssen auch oft erst die Rollen geklärt werden, da ja zwar alle zur Familie gehören, aber nur einige im Unternehmen arbeiten und einige zusätzlich auch noch Anteilseigner sind. Allein die Abstimmung der unterschiedlichen Systemlogiken ist komplex und legt oftmals auch schwelende Konflikte frei.
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KCN: Dafür braucht es einen Mediator?
Born: Unbedingt. Es ist falsch zu glauben, solche Fragen könne man nur mit Blick auf Steueroptimierung, Gesellschaftsrecht, Erbrecht oder Familienrecht beantworten. Die Frage sollte zuerst lauten: Welches Ziel verfolgen wir als Unternehmerfamilie? Wie definieren wir unsere jeweiligen Rollen in den Systemen Familie, Unternehmen und Gesellschafterkreis? Was ist jedem einzelnen wichtig, wenn er an die Zukunft denkt? Was sind konkrete Wünsche, Hoffnungen aber auch Sorgen und Nöte? Wird das von den anderen Familienmitgliedern dem Grunde nach verstanden und akzeptiert? Erst wenn alle Familienmitglieder wechselseitig ihre jeweiligen persönlichen Bedürfnisse und Anliegen verstanden haben, kann man dazu übergehen, für konkrete Sachthemen konkrete Lösungen zu erarbeiten.
KCN: Was ist das beste Format, das Zielbild zu erarbeiten?
Born: Wir nutzen für die Erarbeitung einer Familienverfassung die systemische Mediation mit den Methoden, die uns aus der Psychologie zur Verfügung stehen. Wir starten mit Einzelgesprächen, in denen zunächst geklärt wird, ob überhaupt der Wunsch und die Akzeptanz besteht, ein professionelles Gespräch zu führen. Wer kein Interesse hat, Veränderungen mitzutragen und der Auffassung ist, er allein besitze die Wahrheit, wird sich in einen solchen Prozess nicht einbringen. Das sollte man schon am Anfang klären. Ist diese Bereitwilligkeit bei allen Mitgliedern der Unternehmerfamilie gegeben, kann man ein erstes Treffen mit allen in einem Raum vereinbaren. Durch die Vorgespräche weiß schon jeder, was auf ihn zukommt. In diesen Gruppengesprächen stehen zwar Sachthemen, auf die sich die Unternehmerfamilie einigt, im Vordergrund. Wir erleben es aber stets, dass Sachfragen mit Beziehungsarten vermengt werden. Für uns ist es daher ganz normal, dass im Rahmen solcher Gespräche starke emotionale Entladungen auftreten. Emotionen sind für uns aber nicht hinderlich, sondern der Wegweiser zu den persönlichen Anliegen und Bedürfnissen. Während Positionen im Regelfall von anderen nicht unbedingt akzeptiert werden, kann man aber diese unter einer Position liegenden Bedürfnisse und Anliegen im Regelfall verstehen und nachvollziehen. Schließlich kennen wir alle solche Emotionen. Und Menschen sind unterschiedlich. Sie haben jeweils eine unterschiedliche Biografie und sie gehen mit bestimmten Situationen unterschiedlich um. Einige haben Angst vor Veränderungen, andere suchen den permanenten Wechsel, das Neue und die Herausforderungen. Einige wollen Nähe zu anderen – und andere wollen Distanz.
KCN: Wie ist es beim offenen Konflikt – erarbeiten Sie dann konkrete Kompromissvorschläge?
Born: Nein. Sinn und Zweck des mediativen Arbeitens ist es ja gerade, dass die Medianden in die Lage versetzt werden, selbst zu verhandeln und Lösungen zu entwickeln. Natürlich kann ich berichten, wie andere Familien in ähnlicher Situation ein Thema gelöst haben. Aber meine Aufgabe ist die Moderation.
KCN: Wann ist der Moment gekommen, dass sie auch als Mediator nicht mehr helfen können?
Born: Solange die Menschen miteinander reden, gibt es Grund zur Hoffnung auf eine gemeinsame Lösung. Schwierig wird es, wenn sich jemand dem Dialog verweigert. Da kann es helfen, die Alternativen aufzuzeigen: „Sie können das Ganze auch vor Gericht und in der Öffentlichkeit austragen – oder so weitermachen wie bisher.“ Das wollen die Wenigsten, sonst hätten sie mich ja auch nicht hinzugezogen. Manchmal hilft aber auch nur eine Therapie – und ich bin kein Therapeut, das darf man nicht verwechseln.
KCN: Wenn die Familiencharta steht, ist dann Konflikten ausreichend vorgebeugt?
Born: Zuerst einmal ist eine Charta nur so gut, wie sie auch ehrlich Konfliktbereiche regelt. Niemandem ist mit einer „Wir haben uns alle lieb“-Version gedient, die Widersprüche nur zukleistert. Zum Zweiten vertrete ich mit anderen die im Vordringen befindliche Auffassung, dass die Familiencharta rechtlich verbindlich ist. Sonst hätten wir uns die Arbeit sparen können. Wer sie ignoriert, riskiert Konsequenzen. Drittens ist eine Charta aber auch nicht in Stein gemeißelt, sondern wird über die Jahre immer weiterentwickelt. Denn Einstellungen, Konstellationen innerhalb der Familie können sich verändern. Das sollte die Charta auch abbilden. Darum sollte man gemeinsam mit dem Mediator mindestens einmal im Jahr wieder zusammenkommen und über die Charta sprechen. Man darf die Familie damit nicht allein lassen.